Ein Bienenvolk geht zur Schule

Wer kennt sie nicht, die Abenteuer der Biene Maja? Das Leben der Bienen sieht aber ganz anders aus, diese Erfahrung haben Schüler des Friedrich-List-Gymnasiums (FLG) und der Staatlichen Realschule in Gemünden gemacht. In einem gemeinsamen Schulprojekt betreuen fünf Realschüler und drei Gymnasiastinnen auf dem Dach des FLG-Gebäudes Bienenvölker.
„Sie ist eine faszinierende Welt, die Welt der Bienen“, sind sich Uli Ammersbach und die Schülerinnen Jaqueline Hack, Tabea Wolf sowie Trang Pham einig. Viele Menschen könnten sich von deren Gemeinwesen einiges abgucken, meinen sie. Tausende von Bienen leben in einem Volk und sind perfekt organisiert; jede Biene übernimmt eine bestimmte Aufgabe. Das fanden die drei Schülerinnen des FLG so interessant, dass sie vor drei Jahren im Wahlfach Biologie die Betreuung der Schulbienen wählten. „Schon im Kindergarten und dann in der Grundschule“, erinnert sich Jaqueline Hack, hat sie Imker besucht. „Es war faszinierend“, sagt die Elftklässlerin.

In den vergangenen drei Jahren trafen sich die Schülerinnen jeweils am Freitagmittag, ausgerüstet mit Schleier, festen Handschuhen, Besen, Stockmeißel und Smoker, auf der Dachterrasse des Schulgebäudes und pflegten die Bienen. „Ich glaube jede von uns ist mindestens einmal gestochen worden“, sagt sie. Doch das hielt sie nicht von der Imkerei ab. Im gerade begonnenen Schuljahr werden sie allerdings wegen der Fülle an Unterrichtsstoff die Schulimkerei hinten anstellen müssen. Irgendwann will sich Jaqueline aber wieder einem oder mehreren Bienenvölkern widmen.

Die Idee, Schüler in die Geheimnisse der Bienen einzuweisen, hatte Tobias Hayn. Er lehrte im Fach Biologie am FLG. Der erfahrene Hobbyimker stellte zwei eigene Bienenvölker zur Verfügung. Zum Beginn des Schuljahres 2013/2014 wurde er an eine andere Schule am Untermain versetzt und nahm seine Bienen mit. Seine Nachfolge trat Ulrich Ammersbach an. Er ist ebenfalls Hobbyimker und hat seinen Bienenstand in Gössenheim. Rund 20 Völker betreut er dort zurzeit. Eines dieser Völker brachte er in das schulübergreifende Projekt ein.
„Die Bienen haben den Umzug von Gössenheim nach Gemünden gut überstanden“, freut sich Ammersbach. Seit rund einem Jahr sorgen sie mit dafür, dass die Obstbäume, Blumen und Pflanzen in einem Umkreis von etwa drei Kilometern um die Schulgebäude bestäubt werden. „Das waren keine Anfänger mehr, mit ihrem Wissen zählten die Schüler schon zum fortgeschrittenen Kreis“, erinnert sich Ammersbach.
Wöchentlich überprüften sie das Schulbienenvolk. Jede einzelne Wabe wurde kontrolliert, besonders intensiv während der Zeit der Schwarmbildung. Einer der Höhepunkte der Imkerarbeit sind die Kennzeichnung einer neuen Königin und die Bildung eines Ablegers. Damit stehen den Mitgliedern der Bienenarbeitsgruppe künftig zwei Bienenvölker zur Verfügung.

Reger Flugbetrieb: In einem Bienenkasten leben bis 40 000 Bienen

Vor den Sommerferien läuteten Jaqueline Hack, Tabea Wolf und Trang Pham das Ende des Bienenjahres ein. Da in den Waben nur relativ wenig Honig eingelagert war, verzichteten sie auf das Schleudern. Damit haben die Bienen einen Honigvorrat für die Überwinterung. Gleichzeitig begannen die Schülerinnen mit der Futtergabe für die Zeit, in der sich das Bienenvolk auf das nächste Arbeitsjahr vorbereitet.
Bienen müssen gesund sein und bleiben. Darum ist eine richtige Behandlung gegen die gefährliche Varroamilbe unumgänglich. „Bisher sahen unsere Völker immer gut aus“; es waren nur wenig befallen. Trotzdem gingen die Schulimkerinnen mehrfach gezielt mit Ameisensäure gegen die Milbe vor. Bis zu der Zeit, in der die Winterruhe im Bienenstock einkehrt.

Im Schuljahr 14/15 will Ammersbach mit einer neuen Imkergruppe starten. Darüber informiert er am Dienstag, 23. September, um 13 Uhr in einer kleinen Veranstaltung in der Pausenhalle der Realschule. Auf die „Schulimker“ kommen dann die üblichen Winterarbeiten zu: Sie stellen neue Rahmen her oder verarbeiten das Bienenwachs.

Bedeutung der Bienen

Für den Erhalt blühender Landschaften und die Versorgung der Weltbevölkerung mit Nahrungsmitteln sind Bienen äußerst wichtig. Das zeigt eindruckvoll der Kinofilm „More than Honey“. Gäbe es die Bestäubung mit Insekten nicht, müsste diese Arbeit aufwendig von Menschenhänden erledigt werden.

Rund 85 Prozent der landwirtschaftlichen Erträge sind in Deutschland von der Bestäubung mit Insekten abhängig. Die Bestäubungsleistung der Honigbiene hat nach Expertenaussage weltweit einen wirtschaftlichen Wert von 150 bis 200 Milliarden Euro. Die Honiggewinnung steht an zweiter Stelle: Rund 40 000-mal muss eine Biene ausfliegen, um einen Liter Nektar zu sammeln. Daraus schleudert der Imker etwa 500 Gramm Bienenhonig. Dafür legen die Tiere eine Strecke zurück, die dem dreifachen Erdumfang entspricht.

Ein Bienenvolk ist während der Sommermonate zwischen 30.000 und 40.000 Bienen stark und trägt 20 bis 30 Kilogramm Honig ein. Nur noch 4.000 bis 8.000 Arbeiterinnen starten nach dem Winter in das neue Bienenjahr startet. In Deutschland betreuen rund 90.000 Imker etwa 750.000 Bienenvölker. (hn)